Der Regierungsrat hat die Abschreibung des Vorstosses empfohlen. Ich habe mich für Stehenlassen stark gemacht, weil ich der Meinung bin, dass die getroffenen Massnahmen nicht zur Beruhigung geführt haben und die Evaluation nicht abgeschlossen ist. Die Fachgruppenleiterin Bildung der Grünliberalen Basel-Stadt, Christine Staehelin, hat massgeblich am Entwurf zum Votum mitgearbeitet, wofür ich mich bedanke. Basierend auf der Empfehlung hat die Fraktion dem Antrag zum Stehenlassen folgen können.


Grosser Rat 16. Februar: Votum betreffend Anzug Annemarie Pfeifer Evaluation und Beruhigung der integrativen Schule

Mit ihrem Anzug verlangen Annemarie Pfeifer und Konsorten sowohl die Evaluation der integrativen Schule als auch deren Beruhigung. Tatsächlich wurden verschiede Massnahmen auch zur Beruhigung eingeführt, beispielsweise die Einführungsklassen, das Timeout-Angebot, spezielle Förderräume, spezifische Sprachförderungs-Klassen – sogenannte SSR-Klassen. Ausserdem wurden die Ressourcen für Logopädie und Psychomotorik aufgestockt.

Mit diesen Massnahmen sollen die Lehr- und Fachpersonen unterstützt, der Schulalltag beruhigt und das gesamte Schulsystem entlastet werden. Deshalb beantragt der Regierungsrat, den Anzug abzuschreiben. Aber haben all diese Massnahmen tatsächlich zu einer Beruhigung des Schulalltags geführt?

Die Ressourcen von 2 Millionen, die beispielsweise für Einführungsklassen gesprochen wurden, werden aktuell für ganz unterschiedliche, grösstenteils individuelle Fördermassnahmen verwendet; Einzelne Kinder werden also individuell oder in kleinen Gruppen gefördert, die dann nicht am Unterricht der Klasse teilnehmen.

Das gleiche gilt für jene Schülerinnen und Schüler, die ein Time-Out-Angebot besuchen oder individuelle Förderräume. Auch Kinder, die in SSR-Klassen beschult werden, besuchen nicht während der gesamten Unterrichtszeit den Klassenunterricht. Wenn die Ressourcen für die Logopädie und die Psychomotorik aufgestockt werden, dann werden vermehrt Schulstunden für diese Therapiestunden genutzt und diese Schülerinnen und Schüler besuchen dann den Regelunterricht ebenfalls nicht.

War eine Klasse ursprünglich der Ort, wo alle Kinder beschult wurden, ist sie heute ein Ort des Kommens und Gehens.

Während ein Kind die Logopädie besucht und eine weitere Gruppe durch die Schulische Heilpädagogin gefördert wird, unterrichtet die Lehrperson jene Schülerinnen und Schüler, die in der Klasse verbleiben. Wegen dem Kommen und Gehen ändert im Verlauf des Schulmorgens die Gruppezusammensetzung manchmal mehrmals. Die Klassenlehrpersonen unterrichtet ihre Klasse infolgedessen oft nicht als Ganze. Abgesehen davon, dass dies unzählige Absprachen fordert und einiges an Organisationstalent voraussetzt, nehmen mehrere Kinder gar nicht mehr in vollem Umfang am Klassenunterricht teil und verpassen damit auch vieles.Mit einer Beruhigung des Schulalltags hat dies nichts mehr zu tun. Das System wird nicht entlastet, sondern an die Grenzen seiner Funktionsfähigkeit gebracht. Die Belastung der integrativen Schule zeigt sich auch darin, dass offenbar immer mehr Kinder einen Förderbedarf ausweisen und dagegen dann wiederum Massnahmen ergriffen werden. Anstatt dass die Regelschule ein Ort des Lernens für alle ist, ist sie ein Ort für wenige geworden, die ihren Anforderungen ohne zusätzliche Unterstützung gewachsen sind. 

Wenn nun der Regierungsrat von Massnahmen spricht, die zu einer Entlastung des Systems führen sollen, dann stellt sich auch die Frage, was denn das System belastet.
Die Kinder?

Gegen diese Ansicht wehrt sich die GLP vehement. Eine Schule, die nicht mehr für die meisten Kinder ein Ort des Lernens sein kann, soll nicht davon ausgehen, dass die Kinder zunehmend nicht mehr passen, sondern sie muss ihre eigene Funktionsweise und jene Reformen, die zu dieser Situation geführt haben, grundsätzlich hinterfragen.

Auch weil dies in der Konsequenz Einfluss auf die Bildungsqualität der Schulen hat. Auf die Tatsache, dass die Schule von den Lehr- und Fachpersonen und von den Schülerinnen und Schülern zunehmend als Ort der Be- und Überlastung und des Drucks wahrgenommen wird, muss dringend reagiert werden.

Doch die eingangs beschriebenen Massnahmen sind wohl noch nicht die richtigen Antworten zur Beruhigung der integrativen Schule. Sie führen nur zu mehr Diagnosen, zu noch mehr Absprachen und mehr Administrations- und Organisationsaufwand.

Der Schlussbericht zur Systemevaluation über die Wirksamkeit der integrativen Volkschulen erfolgt wiederum erst im 2023. Auf diese Resultate sind wir Grünliberalen gespannt. Auch deshalb empfehlen wir den Anzug stehen zu lassen – und – bis jene Antworten gefunden und jene Massnahmen getroffen sind, die die Schule wieder zu einem Ort für die aller meisten macht und für die ganz wenigen, die einer besonderen Förderung bedürfen, spezielle Angebote bereitstellt, die auf ihre ganz spezifischen Bedürfnisse eingehen.

Sandra Bothe-Wenk
Grossrätin Grünliberale Basel-Stadt
Wahlkreis Riehen

Bericht zum Regierungsratsbeschluss zum Anzug Annemarie Pfeifer und Konsorten betreffend Evaluation und Beruhigung der Integrativen Schule
https://www.grosserrat.bs.ch/dokumente/100395/000000395589.pdf

Bildquelle:
https://www.nzz.ch/schweiz/schule-kritik-an-integrativem-unterricht-ruf-nach-kleinklassen-ld