Es gibt Momente, die bleiben hängen. Bei mir war es ein Artikel über eine Massenentlassung in der Region. Auffallend viele der Betroffenen waren über 50. Und daraufhin ein weiterer Bericht: Eine neue Studie zeigt, dass ältere Arbeitnehmende in der Schweiz «klar benachteiligt» werden. Dazu die Stimmen aus meinem Umfeld, Menschen, die sich zunehmend fragen, ob ihr Alter auf dem Arbeitsmarkt bereits gegen sie arbeitet.

Solche Meldungen liest man anders, wenn man selbst 57 ist. Man liest sie mit dem Kopf und mit dem Bauch.Und ich frage mich:

„Wenn wir alle länger arbeiten sollen, warum erleben so viele, dass sie trotz ihrer langjährigen Erfahrung, guten Qualifikationen und beruflichen Fähigkeiten im Job an den Rand gedrängt werden?“ 

Dass die Bevölkerung älter wird, ist keine Überraschung. Dass Menschen heute länger arbeiten können und wollen, genauso wenig. Doch gleichzeitig zeigen Beispiele aus der Praxis, dass ausgerechnet jene Generation, die die Fachkräftesicherung mittragen soll, oft die ersten sind, die auf der Strecke bleiben.

Das Paradox unserer Zeit: Wir brauchen ältere Arbeitnehmende – aber wir behandeln sie, als wären sie entbehrlich.»

Dieses Zitat von Ursula von der Leyen bringt auf den Punkt, was viele von uns seit Längerem spüren.

In die Diskussion mischen sich inzwischen auch deutlich radikalere Stimmen ein. So fordert der Publizist Felix E. Müller in einem BAZ-Interview, das fixe Rentenalter ganz abzuschaffen, mit dem Argument, ein starres Ende der Erwerbsarbeit sei «hochgradig altersdiskriminierend» und volkswirtschaftlich unsinnig.

Ob man seinen Vorschlag teilt oder nicht: Er zeigt, wie dringend wir uns mit der Frage auseinandersetzen müssen, welche Rolle ältere Menschen in unserer Arbeitswelt überhaupt spielen sollen. Und wenn Menschen über 50 oft schon Jahre vor der Pensionierung aus dem Arbeitsleben gedrängt werden, dann schaffen sie es nicht bis 65 und schon gar nicht darüber hinaus!

  • Was tut also der Kanton Basel-Stadt konkret, um Altersdiskriminierung im Erwerbsleben zu verhindern?
  • Welche Daten haben wir und welche fehlen uns?
  • Wie werden ältere Mitarbeitende gefördert oder entlastet?
  • Und wie geht der Kanton als Arbeitgeber selbst mit diesem Thema um?

Die ernüchternde Antwort auf meine Recherche: Wir wissen zu wenig!

  • Ja, es gibt Strukturen für Diskriminierungsfälle; aber sie sind primär auf Geschlechterdiskriminierung ausgerichtet.
  • Ja, es gibt einzelne Massnahmen; aber keine erkennbar übergeordnete Strategie.
  • Ja, es gibt die Erwartung, dass wir alle länger arbeiten; aber kaum Leitlinien, wie Menschen über 50 im Arbeitsleben gehalten, entlastet und wertgeschätzt werden sollen.

Es gibt also einzelne Ansätze, aber keine Sicht auf das Ganze. Darum habe ich im Grossen Rat eine Schriftliche Anfrage eingereicht, um blinde Flecken sichtbar zu machen und zentrale Fragen zu klären. Sonst droht das Thema der Altersdiskriminierung, zwischen den Stühlen zu landen und dort liegen zu bleiben.

Ich möchte eine fundierte Auslegeordnung schaffen, damit wir über konkrete Forderungen seriös beraten und entscheiden können. Denn es geht nicht nur um Statistik oder Strukturen. Es geht um Würde, um Perspektiven und um eine Frage, die uns alle betrifft, früher oder später:

Wie wollen wir miteinander arbeiten, wenn wir älter werden?
Die Antwort darauf schulden wir nicht nur einer Generation, wir schulden sie unserer Gesellschaft.

Sandra Bothe-Wenk
Grossrätin Grünliberale Basel-Stadt
Wahlkreis Riehen


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Bildquelle: KI generiert