Grosser Rat 12. November 25: Anzug Sandra Bothe und Konsorten betreffend die gesetzliche Verankerung bezüglich der Förderung der Weiterbildung der Basler Bevölkerung. Das Parlament beschliesst den Vorstoss mit 46 zu 38 Stimmen und 1 Enthaltung abzuschreiben.


Manchmal frage ich mich, ob wir in der Politik zu oft das Gefühl haben, etwas sei erledigt, sobald ein Gesetz existiert. Ein Paragraf hier, ein Artikel dort: „Schön, wir haben es geregelt“. Nur: Ein Gesetz allein bildet niemanden weiter.

Personenbezogene Weiterbildung sollte in einem Kanton wie Basel-Stadt so selbstverständlich sein wie der Griff zur (Kaffee-)Tasse am Morgen. Doch die Realität zeigt ein anderes Bild, besonders für Menschen mitten im Erwerbsleben. Es sind jene, die Job, Familie, Haushalt und Angehörigenpflege täglich miteinander vereinbaren müssen. Sie funktionieren, aber sie haben weder viel Zeit noch die finanziellen Reserven, um sich „einfach mal“ weiterzubilden. Für viele ist Weiterbildung das Erste, das wegfällt, wenn der Alltag sie einholt.Während wir viel über die Förderung des Erwerbs der Grundkompetenzen sprechen (zu Recht!), gerät eine riesige Gruppe aus dem Blick der Bildungspolitik: Menschen, die eine solide Erstausbildung haben, deren Beruf sich aber schneller verändert, als sie Schritt halten können. Viele merken erst bei einer beruflichen Veränderung, dass ihnen etwas fehlt, nicht Motivation, sondern Chancen.

Der Bericht Amstutz / Küng (2025) zeigt deutlich, wie gross diese Lücke ist:

  • Weiterbildung ist sozial ungleich verteilt: 60 % der Menschen mit Hochschulabschluss erhalten Unterstützung, aber nur 16 % jener ohne Ausbildung über die Schulpflicht hinaus. Menschen mit Berufsabschluss liegen in der Weiterbildungsteilnahme prozentual zwischen den Polen, deutlich stärker vertreten als Geringqualifizierte, aber weit entfernt vom hohen Unterstützungsniveau von Hochschulabsolventinnen und -Absolventen.
  • Menschen mitten im Erwerbsleben kämpfen mit realen Hürden: fehlendes Geld und wenig zeitliche Flexibilität aufgrund familiärer und beruflicher Verpflichtungen.
  • KMU können Weiterbildungen oft nicht unterstützen, nicht weil sie nicht wollen, sondern weil ihre Ressourcen knapp sind.
  • Die Betonung der Eigenverantwortung greift zu kurz, wenn strukturelle Möglichkeiten fehlen.

 

Kurz gesagt: Die grössten Lücken bestehen dort, wo Weiterbildung am nötigsten wäre. Die Regierung betrachtet meinen Vorstoss zur Förderung der Weiterbildung als „erledigt“, weil die gesetzliche Grundlage existiert und das Parlament ist ihr gefolgt. Ich bedaure das. Denn Weiterbildung auf dem Papier ist kein Wissen im Kopf.

Eine noch zu erarbeitende Strategie sollte zur Umsetzung führen und beantworten können:

  • Wen wollen wir erreichen?
  • Wie unterstützen wir Menschen, die mitten im Leben stehen?
  • Woran merken wir, dass Weiterbildung Wirkung zeigt?

Die entsprechende Arbeitsgruppe, erst Mitte 2025 vom Regierungsrat überhaupt eingesetzt, steht erst noch ganz am Anfang, und nun aber ohne politische Begleitung oder Auftrag.

Ich denke an einen Satz, der Eric Hoffer (amerikanischer  Sozialphilosoph) zugeschrieben wird:

In Zeiten des Wandels werden die Lernenden die Zukunft erben.

Dieser Gedanke war schon in den 1960er zutreffend, aber heute trifft er uns noch konkreter. Denn das Problem ist oft nicht der Wille sich weiterzubilden. Das Problem sind die hohen Hürden. Lebenslanges Lernen scheitert nicht am Interesse, sondern an der Realität des Alltags.

Wir dürfen jene nicht verlieren, die die Mitte unserer Gesellschaft tragen: die unser Gesundheitswesen, unsere KMU, unsere sozialen Einrichtungen und unsere Handwerksbetriebe am Laufen halten. Wenn sie keinen Zugang zu Weiterbildung haben, verlieren wir nicht nur Fachkräfte, sondern auch soziale Stabilität, Innovation und wirtschaftliche Kraft.

Darum bleibe ich dabei: Weiterbildung muss wirken – nicht nur existieren. Dafür braucht es kantonale Rahmenbedingungen, die sie machbar, zugänglich und finanzierbar machen. Weiterbildung muss im Leben der Menschen im Kanton Basel-Stadt – und überall – Platz finden, nicht nebenbei, sondern mittendrin.

Sandra Bothe-Wenk
Grossrätin Grünliberale Basel-Stadt
Wahlkreis Riehen


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Bildquelle: KI generiert