Der Schulstart nach den Sommerferien hat das Thema Lehrpersonenmangel erneut in den Medienfokus gerückt.

Auch der Dachverband der CH-Lehrerinnen und Lehrer spielt in seiner Medienmitteilung vom 10. August 2023 auf die zentrale Rolle der Arbeitsbedingungen an. Der LCH plant im Herbst eine Kampagne «Aktion Bildungsqualität», um die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und die Politik zu konkreten Massnahmen zu bewegen.

Zur Medienmitteilung des LCH geht es online hier: https://www.lch.ch/fileadmin/user_upload_lch/Aktuell/Medienmitteilungen/2308_Medienmitteilung_Schulstart_LCH-SER.pdf 

Mit dem vorliegenden Vorstoss wird die Aufforderung an die Politik aufgegriffen und die Belastungsfaktoren im Lehrberuf hinterfragt, die durch die Einführung der Teilautonomie verursacht werden. Diese hat nicht nur direkte Auswirkungen auf die Arbeitsbelastung der Lehrkräfte und Schulleitungen, sondern auch auf die Bildungsqualität sowie die Kostenentwicklung im Bildungsbereich.

Es ist notwendig ein ausgewogenes Verhältnis zwischen lokaler Eigenständigkeit und zentralen Vorgaben zu finden, um eine effektive und auch kosteneffiziente Bildungsgestaltung für unseren Kanton sicherzustellen. Was mich besonders umtreibt, ist die Tatsache, dass wichtige Bildungsthemen, die alle Schulstandorte gleichermassen betreffen, auf Grund der Teilautonomie nicht ganzheitlich auf übergeordneter Ebene angegangen werden.

Mir ist bewusst, dass die Thematik komplex ist und unser gesamtes Bildungssystem betrifft, deshalb möchte ich vom Regierungsrat erfahren, ob die Wirksamkeit und Auswirkungen seit der Einführung der Teilautonomie in einer Evaluation erhoben wurden und falls ja – welche Erkenntnisse vorliegen.

Das Thema hat auch OnlineReports interessiert, zum Artikel geht es hier: https://www.onlinereports.ch/News.109+M5b06a80f2fe.0.html


Schriftliche Anfrage betreffend der Teilautonomie an Schulen: Harmonisierung, Belastung, Grenzen

Die Medienmitteilung des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) vom 10. August 23 gibt bekannt, dass ein interkantonaler «Aktionsplan Bildungsqualität» geplant ist, um dem Personalmangel entgegenzuwirken. Hauptaugenmerk liegt auf der Gewährleistung einer stabilen Bildungsqualität, wobei betont wird, dass sowohl angemessene Arbeitsbedingungen als auch strukturelle Anpassungen erforderlich sind.

Seit der Einführung der Teilautonomie in den Schuljahren 2009/10 bis 2011/12 ist jede einzelne Schule damit beschäftigt, individuelle Konzepte für eine Vielzahl von Themen zu entwickeln, darunter Leseförderung, Digitalisierung, Begabtenförderung, Einsatz der EK-Ressourcen und andere Fördermassnahmen. Die Teilautonomie hat dazu geführt, dass die Sitzungsdichte für Lehrpersonen und der Verwaltungsaufwand kontinuierlich gestiegen sind. Die Organisations- und Führungsstruktur an den Schulen hat sich ebenfalls verändert. Die Schulstandorte und deren Leitungen haben neben den Entscheidungs- und Weisungsbefugnissen, auch die Verantwortung für die familien- und schulergänzenden Tagestrukturen, was bedeutet, dass sie nicht nur für die Bildungsqualität der Kinder, sondern auch für ihre Betreuung hauptverantwortlich sind.

Die vielfältigen Prozesse erfordern eine hohe Beteiligung der Lehrpersonen in verschiedenen Gremien, was zu einer spürbaren Mehrbelastung führt und weniger Zeit für das eigentliche Kerngeschäft, den Unterricht, bedeutet. In Baselland wurde eine Umfrage bei Lehrpersonen bezüglich der Belastungsfaktoren im Lehrberuf durchgeführt. Unter anderem ist mir die Frage aufgefallen, ob die Teilautonomie zurückgefahren werden sollte. Während an der Primarstufe eine Mehrheit dies befürwortet, stiess der Vorschlag an den Gymnasien und Berufsfachschulen auf weniger Begeisterung. Die Primarstufe ist besonders von der Vielzahl an Themen und von der Integration betroffen, was ihre Überforderung verstärkt, deshalb scheint mir das Ergebnis der Umfrage auf dieser Stufe verständlich. Um dem Umstand zu begegnen sind meiner Meinung nach eine klare Abgrenzung der Teilautonomie und einheitlichere Vorgaben seitens des Kantons notwendig, um die Heterogenität der Schulen zu reduzieren und die Bildungsqualität zu harmonisieren. Ansonsten ist die Vergleichbarkeit der Leistungen zwischen Schulen erschwert (wenn überhaupt möglich). Dies kann schlussendlich zu einer Inkonsistenz in der kantonalen Bildungsstrategie führen.

Die Herausforderung und aber auch Notwendigkeit ist, die Teilautonomie klar zu definieren und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen lokaler Eigenständigkeit und zentralen Vorgaben zu finden, um eine effektive und auch kosteneffiziente Bildungsgestaltung sicherstellen. In diesem Zusammenhang erscheint es mir wichtig die Auswirkungen der Teilautonomie seit deren Einführung zu evaluieren und Unschärfen zu beseitigen. Eine klarere Definition der Grenzen könnte dazu beitragen, eine kohärente und effiziente Schulverwaltung zu gewährleisten. Es könnte sich als zielführend erweisen, wenn die kantonalen Behörden in gewissen Bereichen statt dem Hinweis auf die Teilautonomie selbst mehr Verantwortung übernehmen könnten, um in der Konsequenz die Schulstandorte und Schulleitungen bürokratisch und administrativ zu entlasten und eine einheitliche kantonale Bildungsstrategie sicherzustellen.

Im Hinblick auf eine strukturell nachhaltige kantonale Bildungsentwicklung, bitte ich den Regierungsrat folgende Fragen zu beantworten:

  1. Gibt es Evaluierungen oder Studien zur Wirksamkeit und den Auswirkungen der Teilautonomie an den Basler Schulen? Wenn ja, welche Erkenntnisse liegen vor und wann wurden diese erhoben? Falls nicht oder falls die Evaluation lange zurückliegt: Ist der Regierungsrat bereit eine Evaluation bezüglich der Wirksamkeit und Auswirkung der Teilautonomie in der Volksschule in Auftrag zu geben oder durchzuführen unter Einbezug der Lehrpersonen und Schulleitungen?
  2. Welche spezifischen Herausforderungen erkennt der Regierungsrat grundsätzlich für die Primarstufe und die Sekundarstufe I in Bezug auf die Teilautonomie? Wie wird angesichts dieser Herausforderungen der Arbeitsbelastung der Schulleitungen und Lehrkräfte entgegengewirkt?
  3. Wie stellt der Regierungsrat sicher, dass die Teilautonomie in Anbetracht der Vielzahl an Themen klar definiert und die Balance zwischen «lokaler» Eigenständigkeit und zentralen Vorgaben gefunden wird? In diesem Zusammenhang: Angesichts der Vielfalt der Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern sowie der verstärkten Übertragung von Verantwortung im Rahmen der Teilautonomie, wie gewährleistet der Regierungsrat das Erreichen ganzheitlicher kantonaler Qualitätsstandards im Bildungswesen und das Erfüllen vergleichbarer Bildungsziele zur Sicherung der Chancengleichheit?
  4. In welchen Bereichen sieht der Regierungsrat das Potenzial, die Verantwortung der kantonalen Behörden zu stärken und die teilautonomen Schulstandorte bürokratisch zu entlasten.
  5. In welchem Ausmass trägt die Einführung der Teilautonomie zur Kostensteigerung an der Volksschule von Basel-Stadt bei und wie bewertet der Regierungsrat die damit verbundene Problematik hinsichtlich der zukünftigen Kostenentwicklung im Bildungswesen? In diesem Zusammenhang: Welche langfristigen Ziele verfolgt der Regierungsrat mit der Teilautonomie im Bildungsbereich und wie werden diese Ziele überwacht und bewertet?

Sandra Bothe-Wenk
Grossrätin Grünliberale Basel-Stadt
Wahlkreis Riehen


Bildquelle: Erziehungsdepartement: Web