Volksinitiative «Kinderbetreuung für alle»: Mehrheit der Bildungs- und Kulturkommission will der Initiative stärker entgegenkommen als der Regierungsrat

Online zur Medienmitteilunghttps://www.medien.bs.ch/nm/2023-volksinitiative-kinderbetreuung-fuer-alle-mehrheit-der-bildungs–und-kulturkommission-will-der-initiative-staerker-entgegenkommen-als-der-regierungsrat-gr.html

Online zum Bericht der Bildungs- und Kulturkommission: https://grosserrat.bs.ch/dokumente/100405/000000405405.pdf

Online zum Ratschlag und Bericht der Regierung Initiative: Kinderbetreuung für alle https://grosserrat.bs.ch/dokumente/100403/000000403467.pdf

Danksagung: Die vorliegenden Standpunkte und Positionen sind das Ergebnis intensiver Diskussionen innerhalb der Fachgruppe Bildung und Familie sowie der eigens eingesetzten Arbeitsgruppe der Grünliberalen. Ich möchte allen Mitgliedern herzlich für ihre hervorragende Unterstützung und die bereichernden Meinungsaustausche bei der Suche nach gemeinsamen Ansichten danken!

EingangserklärungUnsere Gesellschaft wird von vielfältigen Lösungen für die Kinderbetreuung getragen. Statt einer universellen Gratis-Kita-Politik, die bestimmte Familienmodelle bevorzugt, befürworten die Grünliberalen einen differenzierteren Ansatz. Der erweiterte Gegenvorschlag ermöglicht Investitionen unter Berücksichtigung einer ausgewogenen Herangehensweise. Eine gewinnbringende Ressourcenallokation ist nötig, um die Qualität und die Bedürfnisse von Eltern und Fachkräften zu berücksichtigen. Unser Ziel sollte eine hochwertige Kinderbetreuung sein, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern und zur Entwicklung einer modernen, gleichberechtigten Gesellschaft beizutragen.


Stellungnahme zum Vorschlag der Bildungs- und Kulturkommission

Gratis-Kita und Vielfalt der Lebensformen: Obwohl die Idee einer Gratis-Kita zweifellos attraktiv ist, erfasst sie nicht die Vielfalt der Lebensformen in unserer Gesellschaft. Als Grünliberale befürworte ich einen differenzierteren Ansatz, der die Bedürfnisse aller Familien respektiert, anstatt eine universelle Gratis-Kita-Politik zu verfolgen. Eine Gratis-Kita bevorzugt bestimmte Familienmodelle und benachteiligt andere. Kinder müssen während der Erwerbstätigkeit ihrer Eltern hochwertig betreut werden, um gesund aufzuwachsen, wobei ich die Ansicht vertrete, dass die Betreuungsqualität, massgeblich von der Bezugspersonenarbeit abhängt, also von den zwischenmenschlichen Beziehungen. Bei einer ausserfamiliären Kinderbetreuung sollten bezahlbare Finanzierungsmöglichkeiten und ein flächendeckendes Platzangebot für Eltern zusätzlich zur Qualität im Vordergrund stehen. Dies wird durch den erweiterten Gegenvorschlag erreicht. Investitionen und eine ausgewogene Ressourcenallokation sind notwendig, um die Qualität und die Bedürfnisse von Eltern und Fachkräften angemessen zu berücksichtigen. Das Ziel der Grünliberalen ist die Förderung hochwertiger Kinderbetreuung und die Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in einer modernen und gleichberechtigten Gesellschaft. Diese Position beruht auf dem Prinzip der Gleichbehandlung aller Lebensformen und dem Bestreben, Lösungen zu finden, die gerecht und ausgewogen sind. Ich bin offen für eine breite Debatte über dieses Thema und glaube, dass die Vielfalt unserer Gesellschaft eine Stärke ist, die in unserer Politik berücksichtigt werden sollte.

Höhere Löhne für Kita-Mitarbeitende: Die aktuellen Arbeitsbedingungen und Löhne der Mitarbeitenden in Kindertagesstätten (Kitas) werden stark durch finanzielle Begrenzungen durch die Modellkosten beeinflusst. Diese Deckelung schränkt die Flexibilität der Kitas in Bezug auf ihre betriebswirtschaftlichen Entscheidungen, einschliesslich Personalentscheidungen, erheblich ein. Im Gegensatz zu anderen im Kanton Basel-Stadt ansässigen KMU’s haben Kitas weniger Spielraum. Es besteht meiner Ansicht nach die dringende Notwendigkeit, die gegenwärtigen Arbeitsbedingungen und Löhne der Kita-Fachmitarbeitenden zu verbessern. Mitarbeitende in kantonalen Tagesstruktureinrichtungen erhalten höhere Löhne und insgesamt attraktivere Arbeitsbedingungen, was verständlicherweise dazu führt, dass viele Kita-Mitarbeitende in den schulischen Bereich wechseln. Die Gleichbehandlung zwischen Kita- und Tagesstruktur-Fachmitarbeitenden ist entscheidend, um sie nicht in Konkurrenz zueinander zu setzen. Da der Kanton die Lohnpolitik für Kitas und Tagesstrukturen gestaltet, verletzt die aktuelle Situation den Grundsatz: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit bei gleichen Qualifikationen“. Der Beruf in Kitas und Tagesstruktureinrichtungen ist generell anspruchsvoll und hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Die Anforderungen an das Personal sind in beiden Angeboten gestiegen. Die Zielgruppe der betreuten Kinder überschneidet sich über einen Zeitraum von fünf Jahren (vom Kindergarten bis zur 3. Primarklasse), und die Frühförderung der Kinder ist zunehmend anspruchsvoller geworden. Die Kita-Mitarbeitenden begleiten im Grunde genommen dieselben Kinder, die später die Tagesstrukturen besuchen, nur eben zu einem früheren Zeitpunkt. Dieser Umstand sollte bei der Lohnfestlegung und der Anerkennung der Arbeit der Kita-Mitarbeitenden angemessen berücksichtigt werden.

Mitarbeitende ohne Diplom: In Bezug auf die Anpassung der Löhne für Mitarbeitende ohne Diplom bin ich weniger geneigt, die Situation anzugleichen. Ich betrachte es als wichtig, in die Ausbildung zu investieren und Anreize zu schaffen, um den Wert einer entsprechenden Ausbildung hervorzuheben. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Bildungsbiografien der Mitarbeitenden sehr vielfältig und nicht direkt vergleichbar sind.

Keine Anrechnung von Praktika im Betreuungsschlüssel der Kitas: Die Teil-Streichung der Anrechnung von Praktika (vor der Lehre) im Betreuungsschlüssel für Kitas, laut Vorschlag der Regierung, ist ein positiver Schritt. Sie entspricht bereits der Regelung bei den schulinternen Tagesstrukturen und die diesbezügliche Gleichbehandlung ist konsequent. Die Anrechnung im Betreuungsschlüssel wird durch qualifiziertes Personal ersetzt, was zu einer direkten Qualitätsverbesserung in der Kinderbetreuung und einem effizienteren Zeitmanagement führt. Es ergibt jedoch keinen Sinn, 50% der Praktika weiterhin in der Modellkostenrechnung zu berücksichtigen, wenn gar keine Praktikantinnen und Praktikanten vorhanden sind, insbesondere im Fall der obligatorischen Praktika, die im Rahmen der ordentlichen Ausbildung vorgesehen sind, aber nicht mehr an die Ausbildung angerechnet werden. Um die entstandene Lücke im Betreuungsschlüssel zu schliessen, sind finanzielle Mittel erforderlich. Damit kann das Betreuungspersonal mit Mitarbeitenden ohne pädagogische Ausbildung ergänzt werden, was zu mehr Konstanz in der Bezugspersonenarbeit führt. Es ist wichtig zu betonen, dass Kitas weiterhin die Möglichkeit haben, Praktikantinnen und Praktikanten ausserhalb des Betreuungsschlüssels einzustellen, um flexibel auf verschiedene Situationen reagieren zu können.

Erhalt des Systems der Firmenkitas Der Erhalt des Systems der Firmenkitas ist von grosser Bedeutung, da Grossunternehmen wie Novartis oder Roche einen erheblichen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität unserer Region leisten. Der Umstand verdient Anerkennung und Unterstützung. Die Präsenz betriebseigener Kitas ermöglicht es diesen Unternehmen, sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren und gleichzeitig flexibel auf den kurzfristigen Bedarf an Betreuungsplätzen zu reagieren, um (hoch)qualifiziertes Personal anwerben zu können. Darüber hinaus tragen sie zur sozialen und kulturellen Vielfalt bei, da sie Kinder aus verschiedenen Hintergründen betreuen. Eine Zerschlagung der etablierten Firmenkitas würde lediglich dazu führen, dass an anderer Stelle zusätzliche Betreuungsplätze geschaffen werden müssten, was letztendlich zu den gleichen Kosten führen würde. Der Erhalt der Firmenkitas ist nicht nur im Interesse des allgemeinen Wohlstands, sondern auch für die langfristige Gesundheit unserer Wirtschaft von entscheidender Bedeutung.

Übernahme der Betreuungskosten für das dritte Geschwisterkind Hinsichtlich der Übernahme der Betreuungskosten für das dritte Geschwisterkind tendiere ich dazu, dem Antrag auf eine vollständige Entlastung der Familien ab dem dritten betreuten Kind nicht zuzustimmen. Die Regelung soll unabhängig vom Einkommen gelten, was bedeutet, dass alle Einkommen von dieser zusätzlichen Entlastung profitieren würden. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass bereits Erhöhungen der Betreuungsbeiträge im regierungsrätlichen Gegenvorschlag vorgenommen werden, um die finanzielle Belastung von Familien zu mildern. Ein anderer Ansatz wäre, den Geschwisterrabatt beim dritten Kinder stärker zu gewichten.

Sandra Bothe-Wenk
Grossrätin Grünliberale Basel-Stadt
Wahlkreis Riehen