Grossrätin Grünliberale Basel-Stadt

Schlagwort: Frühfranzösich

Bildungsstrategie für den frühen Fremdsprachenerwerb

Grosser Rat 7. Juni 2023: Überweisung ohne Gegenstimme des Anzugs betreffend die Überarbeitung der Bildungsstrategie beim Fremdsprachenerwerb an der Volksschule und Stärkung der Grundlagefächer

Ich freue mich, dass der Regierungsrat bereit war, meinen Vorstoss entgegenzunehmen und das Basler Parlament das Anliegen geschlossen unterstützt hat.

Es ist allgemein bekannt, dass die Ziele des frühen Fremdsprachenunterrichts in Französisch bisher nicht erreicht werden konnten. Daher warte ich nun gespannt auf die Resultate der ÜGK 2023. Ich möchte hier kurz auf die Ergebnisse des Kantons Basel-Stadt eingehen, die auf dem Bildungsbericht 2023 zurückgehen.

In den Bereichen Lesen in der Schulsprache, Mathematik und Französisch liegen die Werte unter dem Schweizer Durchschnitt, wobei die Abweichung in Mathematik mit fast 20% am höchsten ist. Es ist von zentraler Bedeutung, neben einer Überprüfung der aktuellen Fremdsprachenstrategie, die nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat, die Grundlagenfächer Mathematik und Deutsch in der Volksschule zu stärken. Dies hätte meiner Meinung nach einen langfristigen positiven Effekt auf die Schülerinnen und Schüler.

Verbesserte Leistungen in Deutsch und Mathematik bieten nicht nur ein solides schulisches Fundament, sondern auch bessere Chancen für die berufliche Laufbahn junger Menschen. Indem wir uns besonders in den ersten Schuljahren auf die Kernfächer konzentrieren, können die Schülerinnen und Schüler eine fundierte Wissensbasis aufbauen, die sich zweifellos auf alle anderen Schulfächer auswirkt und damit die Chancengleichheit am besten sicherstellt. Zudem stärkt dies das Selbstvertrauen der Kinder und Jugendlichen und fördert ihre Kompetenzen. Erfolgserlebnisse spielen eine entscheidende Rolle für die schulische Motivation.

Eine erhöhte Lektionenzahl für Deutsch und Mathematik in den ersten Schuljahren sollte auch deshalb in Erwägung gezogen werden, da der Bildungsbericht 2023 einen kausalen Zusammenhang zwischen Unterrichtszeit und Leistungen feststellt.

Um eine Fremdsprache erlernen zu können, sind gute Kenntnisse in der Schulsprache eine Voraussetzung. Die Verlegung des Beginns des Fremdsprachenunterrichts auf die 5. Primarklasse wäre meiner Meinung eine wirkungsvolle Massnahme, ohne Gefahr zu laufen, den Fremdsprachenunterricht generell zu schwächen. Das frühe Sprachbad in Französisch hat bisher nicht dazu geführt, dass sich die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in der 2. Landessprache in den letzten Jahren verbessert haben – das Gegenteil ist der Fall.

Auch in anderen Passepartout-Kantone wird vom Parlament eine Überprüfung des frühen Fremdsprachenunterrichts gefordert. Es ist daher ratsam, eine gemeinsame Strategie zum jetzigen Zeitpunkt anzustreben. Die Kosten für die obligatorische Schule im Kanton Basel-Stadt liegen an der Spitze aller Schweizer Kantone, während die Leistungen der Schülerinnen in allen Bereichen statistisch signifikant unter dem Schweizer Durchschnitt liegen. Wir müssen unser Bestes tun, um diese mangelnde Effektivität und Effizienz zu verbessern.

Sandra Bothe-Wenk
Grossrätin Grünliberale Basel-Stadt
Wahlkreis Riehen


Online: Grosser Rat Basel-Stadt, Geschäft 23.5213
Anzug betreffend die Überarbeitung der Bildungsstrategie beim Fremdsprachenerwerb an der Volksschule und Stärkung der Grundlagefächer: https://grosserrat.bs.ch/ratsbetrieb/geschaefte/200112439

Bildquelle: watson.ch

Bildungsstrategie für den Fremdsprachenerwerb in der Primarschule

Die Reform der Sprachbildung in Schulen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Frühfranzösisch wird immer wieder diskutiert. Dies löst auch politische Reaktionen in den Passepartout-Kantonen aus, die insbesondere eine Verbesserung der Fremdsprachenstrategie und ebenso höhere Sprachkompetenzen der Schülerinnen und Schüler in Deutsch zum Ziel haben.


Anzug betreffend die Überarbeitung der Bildungsstrategie beim Fremdsprachenerwerb an der Volksschule und Stärkung der Grundlagefächer

Ein nationaler Vorstoss zur Untersuchung der Auswirkungen von Schulreformen in Bezug auf den Lehrermangel wurde in der Frühjahrssession an den Bundesrat überwiesen. Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur betonte, dass einige Schulreformen wie der Fremdsprachenunterricht auf dünnen wissenschaftlichen Grundlagen basieren.

In diesem Zusammenhang wurden in den Kantonen Baselland und Bern, die am Passepartout-Projekt (Erneuerung des Fremdsprachen-Unterrichts an der Volksschule) beteiligt sind, parlamentarische Vorstösse eingereicht, die eine neue Bildungsstrategie beim Erwerb der Fremdsprachen an der Volksschule fordern. Ziel ist es, insbesondere den Französischunterricht zu verbessern, so dass höhere Leistungen erreicht werden und das Französisch als Landessprache einen angemessenen Stellenwert erhält resp. beibehält.

Im Kanton Basel-Stadt wird demgegenüber geplant, dass Schülerinnen und Schüler im Leistungszug A der Sekundarschule ab der 2. Klasse die Option haben sollen, Französisch abzuwählen, um stattdessen ihre Fähigkeiten in Deutsch und Mathematik zu verbessern. Dies hätte Auswirkungen auf die Durchlässigkeit der Leistungszüge. Man kann sich deshalb grundsätzlich die Frage stellen, ob Deutsch und Mathematik nicht bereits in der Primarschule stärker gewichtet werden sollten, um dafür im A-Zug der Sekundar Französisch beibehalten zu können.

Die im Nachbarkanton Baselland eingereichte Motion bzgl. dem Fremdsprachenerwerb hat der Landrat im Februar 2023 als Postulat überwiesen, um den Französischunterricht in der Primarschule zu überprüfen und wenn nötig anzupassen. Die Regierung hat angeboten, das Sprachkonzept ausgehend von fundierten Studien und Erhebungen neu zu erarbeiten. Hier interessieren insbesondere auch die Ergebnisse der schweizweiten Überprüfung des Erreichens der Grundkompetenzen (ÜGK) in der Schulsprache und den ersten beiden Fremdsprachen, welche nun im Frühjahr 2023 durchgeführt wird. Damit liegt anschliessend eine aktuelle Datenlange vor, die neben bewährten didaktischen Ansätzen eine weitere Grundlage bieten, um eine neue, erfolgsversprechende und evidenzbasierte Bildungsstrategie zu entwickeln.

Die Anzugsstellenden befürworten eine gemeinsame Bildungsstrategie in Bezug auf den Erwerb der Fremdsprachen in allen Passepartout-Kantonen und bitten deshalb die Regierung aus aktuellem Anlass (parlamentarische Vorstösse, ÜGK 2023) ebenfalls zu prüfen und zu berichten,

  1. wie die aktuelle Sprachenstrategie (Schulsprache, Fremdsprachenunterricht) hinsichtlich ihrer Effizienz grundsätzlich überprüft und ergebnisorientiert angepasst werden kann,
  2. und wie die Ergebnisse der ÜGK 2023 in eine konkrete Verbesserung der Sprachenstrategie einfliessen können, die das Ziel hat, sowohl in der Schul- als auch in den Fremdsprachen höhere Leistungen zu erzielen,
  3. ob der Erwerb der Fremdsprachen allenfalls verlegt werden kann/soll (beispielsweise Französisch auf die 5. und Englisch auf die 6. Klasse der Primarstufe) und im Gegenzug die Grundlagefächer Deutsch und Mathematik stärker gewichtet werden können,
  4. inwiefern die Fremdsprachendidaktik grundsätzlich angepasst werden muss, um bessere Lernleistungen zu erzielen,
  5. inwiefern eine gemeinsame Strategie mit allen Passepartout-Kantonen möglich und sinnvoll wäre und welche Schritte notwendig sind, um die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen.

 

Sandra Bothe-Wenk
Grossrätin Grünliberale Basel-Stadt
Wahlkreis Riehen


Online: Grosser Rat Basel-Stadt, Geschäft 23513
Anzug:https://grosserrat.bs.ch/ratsbetrieb/geschaefte/200112439

Medienberichterstattung:

Bildquelle: www.luzernerzeitung.ch/zentralschweiz/sind-zwei-fremdsprachen-in-der-primarschule-zu-viel

Notiz „Landrat überprüft Frühfranzösisch“

Notiz zum Artikel von Thomas Dähler, BAZ, 9. Februar 2023

«Landrat überprüft Frühfranzösisch»

von Christine Staehelin, GLP-Fachgruppenleiterin „Bildung/Familie“
und Sandra Bothe, GLP-Grossrätin Basel-Stadt


Der Landrat im Kanton Baselland fordert, dass der Fremdsprachenunterricht in der Primarschule überprüft wird. In ihrer Motion, die nun in ein Postulat (Anzug) umgewandelt wurde, forderte Anita Biedert die Verlegung des Französischunterrichts auf die Sekundarstufe.

Der Vorstoss hätte zwar pädagogisch einiges für sich, dennoch unterstützen auch wir die Forderungen inhaltlich in dieser Form nicht und begrüssen die Überweisung als Postulat.
Es ist Zeit für ein Up-Date in der „Casa“ Frühfranzösisch – auch in Basel-Stadt.

Der Ansatz des frühen Fremdsprachenunterrichts (ab der 3. Primarklasse) wurde schon vor dessen Einführung kritisiert; längst ist nun bekannt, dass der Erfolg ausblieb. Im Gegenteil: In den sechs Passepartout-Kantonen wurden 100 Millionen ausgegeben und die Leistungen im Französisch sanken, was Studien belegen.

Das HarmoS-Konkordat wollte Ziele der Bildungsstufen harmonisieren. Festgelegt wurde unter anderem, dass auf der Primarstufe der Unterricht in zwei Fremdsprachen eingeführt werden muss.  Als einer der Hauptgründe wurde die Mobilität genannt: Der Anschluss der Schülerinnen und Schüler, die während ihrer Schulzeit den Kanton wechseln, sollte gewährleistet werden. Abgesehen davon, ob Mobilität überhaupt als Argument eines pädagogischen Projekts beigezogen werden soll, ist es auch so, dass die Reihenfolge der Einführung der Fremdsprachen regional koordiniert wird, was das Hauptargument zur Farce werden lässt.

Auch wenn wir der Meinung sind, dass die versprochenen Erfolge eines frühen Fremdsprachenunterrichts längst widerlegt sind und dass diesbezüglich gemeinsam getroffene Fehlentscheide widerrufen werden können und sollen, statt dass man sich immer wieder auf HarmoS bezieht, schliessen wir uns der Antwort des Regierungsrats Baselland an, der die Evaluationen im Rahmen der ÜGKs 2023 abwarten will.

Gleichzeitig sind wir der Ansicht, dass die Zeit bis zur Auswertung der Resultate der ÜGKs – wir wären bereit, bereits jetzt Wetten abzuschliessen auf die Ergebnisse – dazu genutzt werden muss, gemeinsam mit den anderen Passepartout-Kantonen über die Bücher zu gehen.

Wenn wir den Stellenwert des Französisch als Landessprache gebührend achten wollen, dann müssen wir alles daransetzen, dass unsere Schülerinnen und Schüler gut Französisch lernen. Es gibt genügend Studien, die zeigen, wie das geht.

Die Resultate werden u.E. zeigen, dass es auch im Kanton Basel-Stadt Sinn macht, die Bildungsstrategie für die erste weitere Landessprache evidenzbasiert zu überprüfen und eine neue Zieldefinition zu formulieren, die konkrete Vorschläge beinhaltet und aufzeigt, wie die Leistungen im Fremdsprachenunterricht für alle Schülerinnen und Schüler verbessert werden können.

Den Französischunterricht auf die Sekundarstufe zu verlegen oder freiwillig zu machen, wie dies aktuell im Kanton Basel-Stadt für die Sekundarstufe A ab der 2. Klasse vorgesehen ist, sind nicht die adäquaten Antworten auf die Herausforderungen, sondern nur klägliche Reaktionen auf das Scheitern des frühen Fremdsprachenunterrichts, ohne dass dieser hinterfragt werden würde.

Auch wenn die Zielsetzung des Französischunterrichts «Freude und Neugier an der fremden Sprache» in den Vordergrund stellt, müssten dennoch die gigantischen Investitionen auch dringend die Verbesserung der Leistung erwirken.
Deshalb können wir uns den Beginn des Fremdsprachenunterrichts wieder ab der 5. Primarklasse vorstellen, also eine Rückkehr zum früheren Modell. Lieber kürzer, dafür besser!

«Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war» Bertold Brecht

Wir sollten uns also endlich für einen gelingenden Französischunterricht einsetzen. Dass fundierte Kenntnisse der deutschen Sprache die Grundlage für den Erwerb von Fremdsprachen bilden, muss offenbar explizit erwähnt werden, denn diese Tatsache scheint aus dem Blickfeld geraten zu sein.

Deshalb erwarten wir auch eine Prioritätensetzung der Bildungsziele, insbesondere was die sinkenden Leistungen beim Leseverständnis und Schreiben in Deutsch (PISA-Studie 2018) betrifft. Denn wer auf Deutsch nichts zu sagen hat, kann dies auch in keiner Fremdsprache tun.


Bildquelle: Kabeleins.ch

Medien
Basler Zeitung, Feb. 23:
https://www.bazonline.ch/landrat-ueberprueft-fruehfranzoesisch-409829663755

Der Bund Bern, Okt. 22:
Artikel Frühfranzösisch ist gescheitert

Zusammenstellung diverser Artikel und Studien zur Einführung Frühfremdsprachen ab 2004 durch Urs Kalberer

  1. Kalberer, U. (2005). Lernt man jünger wirklich besser? Neue Zürcher Zeitung 21. 6. 2005
  2. Munoz, C. (Hrsg.). (2006). Age and the rate of foreign lang.uage learning. Clevedon: Multilingual Matters.
  3. Barcelona Age Factor Project. Die Studie lief während 20 Jahren und lieferte Einsichten zum optimalen Start des Fremdsprachenbeginns. Resultate:
    1. Späteinsteiger übertreffen jüngere Einsteiger nach einer ähnlichen Anzahl von Unterrichtsstunden;
    2. Unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten: jüngere Lernende langsamer, mit „beschleunigter Progression zwischen 11 und 13 Jahren, viel schneller als zwischen 14 und 16 Jahren″ (2006:31)
    3. In schulischen Kontexten, in denen es kaum Möglichkeiten für implizites Lernen und Üben gibt, können ältere Lernende schneller eine weitere Sprache erwerben.
  4. Kalberer, U. (2007). Rate of L2 Acquisition and the Influence of Instruction Time on Achievement. University of Manchester.

Aus Schweizer Sicht:

  1. Lambelet, A. & Berthele, E. (2014). Alter und schulisches Fremdsprachenlernen : Stand der Forschung. Bericht des Wissenschaftlichen Kompetenzzentrums für Mehrsprachigkeit
  2. Pfenninger, S. E. & Singleton, D. (2017).Beyond Age Effects in Instructional L2 Learning: Revisiting the Age Factor. Bristol: Multilingual Matters. ISBN: 9781783097616
  3. Berthele, R. (2019). Policy recommendations for language learning: Linguists’ contributions between scholarly debates and pseudoscience. Journal of the European Second Language Association3(1), 1–11. DOI: http://doi.org/10.22599/jesla.50

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén