Grossrätin Grünliberale Basel-Stadt

Schlagwort: Berufliche Bildung

Demokratische Werte stärken

Grosser Rat 8. Februar 2024: Stillschweigende Überweisung meines Anzug und Konsorten betreffend Stärkung der demokratischen Werte in der Volksschule: Entflechtung des Sammelbereichs «Ethik, Religionen, Gemeinschaft», berufliche Orientierung, Klassenstunde

Zum Vorstoss online:  https://grosserrat.bs.ch/ratsbetrieb/geschaefte/200112917


Gemäss dem Bundesamt für Statistik hat ein Drittel der ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz nach eigenen Angaben Diskriminierung oder Gewalt erlebt, meistens aus rassistischen Gründen. Diese Tatsache ist sehr besorgniserregend. Dass insbesondere antisemitische Vorfälle nach den Terroranschlägen zugenommen haben, ist erschreckend. Ein Diskriminierungsverbot ist sowohl in der Bundesverfassung als auch in der Kantonsverfassung von Basel-Stadt festgehalten. Grundsätzlich stellt sich also die Frage, wie Diskriminierung jenseits repressiver Formen vermieden werden kann.

Mein Vorstoss verdient eine gründliche Prüfung, da er entscheidende Aspekte in Bezug auf die Förderung von interkulturellem Verständnis, Toleranz und der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen angehen und das demokratische Bewusstsein fördern will.

Die vorgeschlagene Entflechtung des Sammelbereichs ermöglicht eine vertiefte Auseinandersetzung mit Diskriminierung und Partizipation, was die Qualität der Bildung erhöht, weil Bildungsziele von den Schülerinnen und Schüler effektiver erreicht werden können. Dies gilt nicht nur für den Bereich Ethik, Religionen und Gemeinschaft, sondern auch für die berufliche Orientierung, die im Kanton Basel-Stadt ebenfalls eine zentrale Rolle spielt, um den dualen Bildungsweg zu stärken.

Die Schule kann nicht jener Ort sein, dem die Lösung gesellschaftlicher Probleme allein übertragen werden. Hingegen kann die Schule zur Stärkung der demokratischen Werte beitragen und Schule ist jener Ort, an welchem der Umgang mit Anderen sehr gut gelernt werden kann.

In der Schule begegnen sich Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Herkunft und mit unterschiedlicher Religionszugehörigkeit und verbringen Jahre zusammen. Die Erziehung zu einem respektvollen Miteinander wird tagtäglich eingeübt. Es ist die Aufgabe der Schule, dabei jeder Form von Diskriminierung – und das können kleine Vorfälle wie subtile Formen der Ausgrenzung oder verbale Äusserungen sein – klar entgegenzutreten und nicht wegzusehen.

Es sind nicht in erster Linie Programme und Projekte, welche die Diskriminierung verhindern, sondern es ist zuallererst eine klare HaltungSie muss jederzeit sichtbar machen, dass eine liberale Demokratie existenziell darauf angewiesen ist, dass sich alle respektvoll begegnen.

An Basler Schulen gilt grundsätzlich die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Die Schule ist denn auch darauf angewiesen, dass nicht die Unterschiede in den Vordergrund gerückt werden, sondern das Verbindende und das Gemeinsame. So kann sie vermitteln, dass für alle die gleichen Regeln und die gleichen Rechte gelten. Im Januar haben wir einen Anzug zum LIKRAT-Programm des jüdischen Museums stillschweigend überwiesen, das als obligatorischer Bestandteil des Lehrplans der Sekundarstufe etabliert werden soll. Eine Erweiterung obligatorischer Programme wie LIKRAT würde weitere verpflichtende Angebote zur Wahrung kultureller Vielfalt und Gleichbehandlung erfordern.

Deshalb ist der Ausweitung von Pflichtprogrammen kritisch zu begegnen und stattdessen der Fokus auf die Stärkung der demokratischer Werte in der Schulgemeinschaft zu legen. Das Wort «Likrat» ist hebräisch und bedeutet «aufeinander zugehen». Aufeinander zugehen sollen Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Kulturkreisen und Lebenswelten jeden Tag. Die Schule hat bei dieser Aufgabe eine Schlüsselrolle. Sie ist äusserst bedeutsam und kann nicht delegiert werden. Schule trägt als Ort der Wertevermittlung dazu bei, eine Generation heranzubilden, die demokratische Prinzipien versteht, schätzt und in ihrem zukünftigen Leben anwendet. Dies ist entscheidend für die persönliche Entwicklung der jungen Menschen und unserer Gesellschaft im Allgemeinen.

Für mich liegt die Lösung deshalb nicht in einem Obligatorium fokussiert auf bestimmte Gruppen. Stattdessen betrachte ich die verstärkte Gewichtung von Programmen wie LIKRAT als einen geeigneten Ansatz innerhalb des Sammelfachs „Ethik, Religion, Gemeinschaft“. In diesem Kontext ist der vorliegende Vorstoss im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen im Grossen Rat sowie in Zusammenarbeit mit der israelitischen und muslimischen Gemeinde entstanden und ich freue mich über die grosse Unterstützung im Kantonsparlament von Basel-Stadt.

Eine Anmerkung noch: Schülerinnen und Schüler erreichen Bildungsziele und persönlichen Bildungserfolg am besten in einem Lernumfeld, in dem sie sich vor allem wohl und sicher fühlen. Eine Konzentration alleine auf Lernziele und Leistungen in einzelnen Fächern ist wenig sinnvoll, wenn die Schülerinnen und Schüler demotiviert sind und von Ängsten geplagt in die Schule kommen.

Daher ist es entscheidend, neben fachlichen Kompetenzen auch auf das Wohlbefinden und die emotionale Sicherheit der jungen Menschen zu achten.

Sandra Bothe-Wenk
Grossrätin Grünliberale Basel-Stadt
Wahlkreis Riehen

Demokratische Werte in der Volksschule stärken

Anzug betreffend Stärkung der demokratischen Werte in der Volksschule: Entflechtung des Sammelbereichs «Ethik, Religionen, Gemeinschaft», berufliche Orientierung, Klassenstunde

In unserer vielfältigen Gesellschaft, in der verschiedene Weltreligionen und Kulturen auf engem Raum zusammenleben, ist es entscheidend, dass wir nicht nur die multikulturellen und religiösen Unterschiede verstehen, sondern auch, dass die verschiedenen Gruppen ein Verständnis für die Kultur und Geschichte der Religionen ihrer Mitmenschen entwickeln. Dies ist von Bedeutung, um der Gefahr entgegenzuwirken, dass Vorurteile und Unwissenheit gegenüber bestimmten Gruppen verstärkt werden. Antisemitismus, als eine Form des kulturellen Unverständnisses und der Intoleranz, kann auf mangelndem Wissen und fehlendem Austausch beruhen. Daher ist es wirkungsvoll, die verschiedenen Gruppen frühzeitig miteinander ins Gespräch zu bringen, damit sich Vorurteile nicht festigen und in Zukunft zu ernsthaften Konflikten innerhalb unserer Gesellschaft führen. Bildung und Dialog sind entscheidende Instrumente, um Vorurteilen aktiv entgegenzuwirken und die Grundlage für eine tolerante Gesellschaft zu schaffen. Dadurch können wir der Gefahr von Intoleranz und Diskriminierung von Beginn an entgegenwirken und eine Gesellschaft formen, in der Vielfalt als Bereicherung und nicht als Bedrohung empfunden wird.

Im Sammelfach „Ethik, Religionen, Gemeinschaft“ (ERG) sollen Schülerinnen und Schüler Kompetenzen für das Leben mit verschiedenen Kulturen, Religionen, Weltanschauungen und Wertvorstellungen entwickeln, um das Zusammenleben zu gestalten und soziale Herausforderungen zu bewältigen.

Der Lernplan 21 umfasst 5 Zielkompetenzen: 1. Existentielle Grunderfahrungen reflektieren 2. Werte und Normen klären und Entscheidungen verantworten 3. Spuren und Einfluss von Religionen in Kultur und Gesellschaft erkennen 4. Sich mit Religionen und Weltsichten auseinandersetzen 5. Ich und die Gemeinschaft, Leben und Zusammenleben gestalten

Seit der Einführung von ERG vor 10 Jahren wird das Fach auf der Sekundarstufe I unterrichtet. Es gibt einen eigenen Studiengang an der Pädagogischen Hochschule, passende Lehrmittel und fortführende Weiterbildungen. In der Stundentafel der Sek I ist ERG zwar ein eigenständiges Sammelfach, mit einer Lektion pro Woche dotiert, jedoch wird es weder benotet noch im Zeugnis als besuchtes Fach aufgeführt. Dies liegt daran, dass ERG, die berufliche Orientierung und die Klassenstunde einen gemeinsamen „Sammelbereich“ bilden. Gemäss der Stundentafel findet im 9. Schuljahr (1. Klasse Sek I) innerhalb einer Lektion ERG auch die berufliche Orientierung statt. Im 10. und 11. Schuljahr (2. und 3. Sek I) wird innerhalb des Fachs auch die Klassenstunde abgehalten.

Die Zusammenfassung der verschiedenen Themenkomplexe in einem Sammelbereich birgt die Gefahr der Fragmentierung des Unterrichts und der Lehrinhalte. Dies wirft die Frage nach der Wirksamkeit der verschiedenen Themen auf, um ein tiefgehendes und ganzheitliches Verständnis sowohl im Sammelfach „Ethik, Religionen und Gemeinschaft“ als auch in der „berufliche Orientierung“ zu fördern. Es besteht zudem das Risiko, dass der Lehrstoff so aufgeteilt wird, dass einzelne Themen oder Unterrichtseinheiten nicht ausreichend Zeit erhalten, um vertieft behandelt zu werden.

Die Anzugsstellenden ersuchen den Regierungsrat, die Option einer Entflechtung des Sammelbereichs zu prüfen und über nachfolgende Aspekte zu berichten. Ziel soll sein, sowohl dem Sammelfach „Ethik, Religionen und Gemeinschaft“ als auch der beruflichen Orientierung mehr Gewicht zu verleihen. Die Bedeutung der Klassenstunde soll erhalten bleiben.

  1. Wie kann im 9. Schuljahr (1. Sek) eine Entflechtung und Stärkung der Bereiche ERG und berufliche Orientierung erreicht werden, und wie können die geplanten Unterrichtsstunden optimal genutzt werden, um die definierten Zielkompetenzen in beiden Bereichen zu erreichen, ohne dass eine gegenüber dem anderen zu bevorzugen?
    • In diesem Kontext: Ist es möglich, das Sammelfach ERG und die berufliche Orientierung im Zeugnis als „besucht“ aufzuführen, um beiden Elementen eine höhere Gewichtung zu verleihen?
    • Wie kann die Klassenstunde in der Stundentafel so angepasst oder integriert werden, dass sie als wesentliches Element erhalten bleibt?
  2. Welche Massnahmen und Ressourcen können implementiert werden, um Lehrkräfte im Sammelfach ERG auf Primar- und Sekundarstufe I optimal zu qualifizieren und fortzubilden?
    • Wie kann die Attraktivität der Ausbildung zur ERG-Lehrperson gesteigert werden?
    • Wie können Angebote zur Nachqualifikation im Bereich ERG gestaltet werden, um Lehrpersonen eine parallele Absolvierung während ihrer Berufstätigkeit zu ermöglichen?
    • Wie kann die Zusammenarbeit mit relevanten Bildungsakteuren und Organisationen gefördert werden, um die Wirksamkeit und Bedeutung von ERG für eine tolerante und vielfältige Gesellschaft zu stärken und wie kann der Zugang zu externen Angeboten verbessert werden?
  3. Besteht die Möglichkeit bei der geplanten Neukonzeption des Religionsunterrichts an der Primarschule das Sammelfach „Ethik, Religionen und Gemeinschaft“ innerhalb des Fachbereich «Natur, Mensch, Gesellschaft» obligatorisch zu etablieren, der von qualifizierten Fachpersonen unterrichtet wird? (z.B. anlehnend an die Praxis im Kanton Zürich).

Sandra Bothe-Wenk
Grossrätin Grünliberale Basel-Stadt
Wahlkreis Riehen


Online: Grosser Rat Basel-Stadt, Geschäft 23.5628
https://grosserrat.bs.ch/ratsbetrieb/geschaefte/200112917

Bildquellehttps://hepfr.ch/de/medien-und-information/religion-ethik-und-philosophie/

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