Das vorweg: Der Regierungsrat beantwortet meine schriftliche Anfrage zur Handy freien Schule und schiesst am Ziel vorbei: 

Online zur Antwort des Regierungsrat

Fakt ist: Es geht darum, eine kantonal einheitliche Richtlinie für den Umgang mit Smartphones während der Schulzeit im Unterricht und in den Pausen zu etablieren, nicht um ein generelles Handy-Verbot. Der Unterschied zwischen einer Regelung und einem Verbot ist hierbei entscheidend. Eine Richtlinie legt fest, wann und wie Smartphones genutzt werden, ohne sie vollständig zu verbieten oder zu „verteufeln“. Ich habe mir vom Regierungsrat eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Anliegen erhofft.

Ich bin der Meinung, die Volksschule sollte Rahmenbedingungen schaffen, die für ein lernförderliches Schulklima sorgen, für möglichst alle Kinder und Jugendlichen gleiche Bildungschancen gewährleisten und die Gesundheit der jüngeren Generation schützen.

Nina Fargahi berichtet in der Basler Zeitung über eine Schule, die bereits handyfrei ist – und die Teenager sind begeistert: zum Artikel Ich äussere mich wie folgt:


Notiz: Der Regierungsrat verkennt die Zeichen der Zeit und entzieht sich meiner Meinung nach seiner Verantwortung in Bezug auf die Nutzung von Smartphones an Schulen. Eine klare Strategie, die sowohl schulische als auch elterliche Verantwortlichkeiten einbezieht und benennt, ist entscheidend, um die psychische Gesundheit und die Bildung unserer Schülerinnen und Schüler zu schützen. Andere Länder haben bereits Massnahmen ergriffen – es ist höchste Zeit, dass auch Basel-Stadt handelt.

Obwohl die Hauptverantwortung für die ausserschulische Nutzung bei den Erziehungsberechtigten liegt, tragen die Schulen die Verantwortung für die Regelung über die Nutzung der persönlichen Handys während der Präsenzzeit der Schülerinnen und Schüler. Schulen nehmen durch Verhaltensrichtlinien aktiv Einfluss auf die Medienvermittlung, -erziehung und -begleitung der Schülerinnen und Schüler. Wenn die Regelung an Schulen lediglich vorsieht, Smartphones vorübergehend einzuziehen, wenn sie den Unterricht stören, werden weder Ablenkungen der Schülerinnen und Schüler effektiv minimiert noch die Konzentration gesteigert oder die sozialen Interaktionen in den Pausen gefördert.

Mir geht es vor allem um den unkontrollierten Zugang zu Social Media mittels Handy während der Präsenzzeit der Kinder und Jugendlichen. Schliesslich schauen wir Erwachsene auch nicht während der Arbeit Netflix-Serien und erwarten, die gleiche Arbeitsleistung erbringen zu können oder uns gleichzeitig mit unseren Kolleginnen und Kollegen angeregt zu unterhalten.

Die Robert Bosch Stiftung hat die Kernpunkte der PISA-Studie 2022 zur Handynutzung bei Jugendlichen in Deutschland ausgewertet. Die Ergebnisse sind eindeutig:

  1. Ablenkung durch Smartphones: Bereits 2017 zeigte die „Brain-Drain“-Studie, dass die blosse Anwesenheit eines Smartphones kognitive Ressourcen beansprucht und ablenken kann. Diese Erkenntnis wurde durch eine Metaanalyse von 22 Studien bestätigt.
  2. Erreichbarkeitsdruck: Die PISA-Daten von 2022 deuten darauf hin, dass nicht unbedingt das Handy selbst ablenkt, sondern der Druck, immer erreichbar zu sein. Jeder dritte Jugendliche wird nervös, wenn das Handy nicht in Reichweite ist, bei den Mädchen sind es 40%.
  3. Handynutzung im Unterricht:
    • Jeder vierte Jugendliche schaltet die Handy-Benachrichtigungen während des Unterrichts nie oder fast nie aus.
    • Allerdings schaltet jeder zweite Jugendliche die Benachrichtigungen immer aus und schneidet im Schnitt um 19 PISA-Punkte besser ab als der Durchschnitt, was einem Lernfortschritt von etwa einem halben Schuljahr entspricht. Vor allem leistungsschwache Schülerinnen und Schüler profitieren.
  4. Druck und Ablenkung durch Nachrichten:
    • Etwa jeder vierte Jugendliche verspürt Druck, während des Unterrichts auf Nachrichten zu antworten.
    • Ähnlich viele fühlen sich durch Mitschülerinnen und Mitschüler, die digitale Geräte nutzen, abgelenkt.

Angesichts der Ergebnisse, die auf die potenziellen Risiken für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen hinweisen, ist es unverständlich, dass sich der Regierungsrat nicht stärker für eine smartphonefreie Schulenkultur einsetzt, obwohl die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit und die Bildungsqualität gut dokumentiert sind. Andere Länder wie Frankreich, Holland, Italien, England, Norwegen und Finnland haben bereits Massnahmen ergriffen, und in Österreich fordert die Lehrergewerkschaft eine handyfreie Schule.

Die Annahme, dass smartphone freie Schulen keinen Beitrag zur besseren Entwicklung der Schülerinnen und Schüler leisten, weil die Nutzung digitaler und sozialer Medien grösstenteils ausserhalb des Unterrichts stattfindet, entbindet die Volksschulen von Basel-Stadt nicht von ihrer Verantwortung und Vorbildfunktion im gesellschaftlichen Kontext.

Eine gemeinsame Haltung wie die handyfreie Schule, die transparent und für alle Parteien (SuS, Eltern, Schule) nachvollziehbar und deshalb akzeptierbar ist, würde dennoch die Flexibilität bieten, innerhalb dieser Richtlinien eigene Lösungen an Schulstandorten umzusetzen und besondere Umstände einzubeziehen. Eine smarphonefreie Schulkultur verstehe ich denn auch nicht als generelles Handyverbot und sie betrifft auch nicht die freiwilligen Angebote an Schulen wie der Besuch der familien- und schulergänzenden Tagesstrukturen. Für dieses Angebot wünsche ich mir eine gute fachliche, aufklärende Begleitung für die Schülerinnen und Schüler im Umgang mit dem Smartphone.

Wenn Schulen nur teilautonome Empfehlungen zur altersgerechten Nutzung persönlicher Mobiltelefone und zum Umgang mit Social Media abgeben, wird die Verantwortung vollständig auf die Schülerinnen und Schüler abgewälzt. Diese sind oft noch nicht in der Lage, diese Herausforderungen zu bewältigen, und werden dadurch mit schwierigen Situationen allein gelassen.

Obwohl Eltern für die digitale Erziehung und gesunde digitale Gewohnheiten ihrer Kinder hauptverantwortlich sind und als Vorbilder agieren müssen, müssen wir als Gesellschaft verstehen und akzeptieren, dass viele Eltern mit diesen Herausforderungen und deren Auswirkungen auf ihre Kinder ebenso überfordert sind. In der Folge ist es entscheidend, dass Schulen handeln und ihre Verantwortung wahrnehmen, um junge Menschen in einer digitalisierten Welt wirksam zu begleiten und negative Auswirkungen zu minimieren.

Deshalb setze ich mich zusammen mit der Fachgruppe Bildung und Familie der Grünliberalen für kantonal einheitliche Richtlinien ein, die eine smartphonefreie Schulkultur während des Unterrichts und in den Pausen für alle Schülerinnen und Schüler der Volksschule in Basel-Stadt gewährleistet.

Einheitliche Richtlinien legen fest, wie und wann das Smartphone akzeptabel oder unakzeptabel ist und kann spezifische Umstände und Ausnahmen enthalten. Aber sie sorgen dafür, dass alle Schülerinnen und Schüler möglichst gleiche Voraussetzungen haben. Diese Konsistenz trägt dazu bei, den Schulalltag besser zu strukturieren und die Organisation sowohl für Lehrkräfte als auch für Eltern zu erleichtern und eine weitere Grundlage für Chancengleichheit und ein harmonisches, lernförderndes Schulumfeld zu schaffen.

Sandra Bothe-Wenk
Grossrätin Grünliberale Basel-Stadt
Wahlkreis Riehen


Bildquelle: Basler Zeitung, Foto Urs Jaudas