Die Petitionskommission ist der Meinung, der Regierungsrat hat noch nicht alle offenen Fragen bezüglich einer diskriminierungsfreien Schule beantwortet und empfiehlt erneut die Überweisung des Geschäfts zur Stellungnahme.

Der Lernplan gibt Auskunft über die gesetzlichen Grundlagen , die Bildungsziele und die Werte nach denen sich die Volksschule richtet:

  • Sie geht von christlichen, humanistischen und demokratischen Wertvorstellungen aus.
  • Sie ist in Bezug auf Politik, Religionen und Konfessionen neutral. Sie fördert die Chancengleichheit.
  • Sie fördert die Gleichstellung der Geschlechter.
  • Sie wendet sich gegen alle Formen der Diskriminierung.
  • Sie weckt und fördert das Verständnis für soziale Gerechtigkeit, Demokratie und die Erhaltung der natürlichen Umwelt.
  • Sie fördert den gegenseitigen Respekt im Zusammenleben mit anderen Menschen, insbesondere bezüglich Kulturen, Religionen und Lebensformen. Sie geht von unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Kinder und Jugendlichen aus und geht konstruktiv mit Vielfalt um.
  • Sie trägt in einer pluralistischen Gesellschaft zum sozialen Zusammenhalt bei.

Darüber hinaus gilt für das Schulpersonal die Standesregel 9, des Dachverbands für Lehrer und Lehrerinnen Schweiz – DAS RESPEKTIEREN DER MENSCHENWÜRDE:

  • Die Lehrperson wahrt bei ihren beruflichen Handlungen die Menschenwürde, achtet die Persönlichkeit der Beteiligten, behandelt alle mit gleicher Sorgfalt und vermeidet  Diskriminierungen. Die zentrale Maxime ist der unbedingte Respekt vor der menschlichen Würde, die Wahrung der körperlichen und seelischen  Unversehrtheit. Zu den verbotenen Verletzungen der menschlichen Würde zählen entwürdigende Strafpraktiken, das Blossstellen von Menschen vor anderen, das Lächerlichmachen und die  Etikettierung mit benachteiligenden Persönlichkeits- oder Milieueigenschaften (z.B. dumm, minderbegabt, hässlich, ärmlich, einfach, verlogen usw.). Ebenso wie auf die Wahrung der Würde anderer achtet die Lehrperson auf die Wahrung ihrer eigenen Würde. Nicht statthaft sind systematische, willentliche oder fahrlässige Benachteiligungen von Lernenden wegen deren Denkart, Begabung, Geschlecht und geschlechtlicher Orientierung, Religion, familiärer Herkunft oder Aussehen. Die Lehrperson darf ein sich aus der schulischen Tätigkeit ergebendes Abhängigkeitsverhältnis in keiner Weise missbrauchen. Es ist nicht auszuschliessen, dass Beteiligte das Handeln von Lehrpersonen, welche sich an diese Verbote halten, im Einzelfall dennoch als verletzend erleben. Entscheidend ist dann die Frage, ob ein Vorsatz oder zumindest Fahrlässigkeit gegeben war und  ob die Lehrperson die von Berufsleuten zu erwartende Sorgfalt hat walten lassen.

Wie aber erreichen und unterstützen wir mit diesen Artikeln das Schulpersonal ganz konkret im Umgang mit Diskriminierung im Schulalltag? Welche Strategien wenden die Lehr- und Fachpersonen zum Schutz der Kinder und Jugendlichen an – zum Beispiel wenn….

  • Eine Schülerin auf dem Pausenhof als „du dumme Lesbe“ oder ein Schüler als „schwule Sau“ beschimpft wird?
  • Ein Mitschüler einem Mädchen mit Kopftuch vorwirft, eine Terroristin zu sein?
  • Eine Schülerin einen Schüler rassistisch beleidigt?

Wie reagieren in diesen konkreten Situationen? Darüber hinwegsehen, sie als Ausnahme abtun oder als Konflikt zwischen Einzelpersonen, die sie selbst austragen müssen?

Ich meine es braucht eine Strategie, einen Leitfaden, der das Schulpersonal bei ihrer Antidiskriminierungsarbeit konkret im Schulalltag unterstützt. Damit alle Lehrpersonen mit solchen Situationen souverän und kompetent umgehen können.


Grosser Rat 20. Oktober 2022: Votum zu den Berichten der Petitionskommission zur Petition P425 und P434  betreffend „Diskriminierungsfreie Schule“

Die Petitions-Kommission ist der Meinung, dass man nicht von einem Idealtypus Lehrperson ausgehen sollte. Dem kann ich mich im Namen der Grünliberalen anschliessen.

In einer Schule der sexuellen, geschlechtlichen und kulturellen Vielfalt ist es aber notwendig, dass sich alle Lehr- und Fachpersonen und Schulsozialarbeitenden kompetent im Umgang mit diesen Themen fühlen, damit ausgrenzendes oder feindseliges Verhalten keinen Platz hat.

Mit Blick auf das spätere Agieren der Schülerinnen und Schüler innerhalb der Gesellschaft, haben die Schulen die Möglichkeit, diskriminierenden Denkmustern auf allen Ebenen und in jedem Lebensbereich entgegenzuwirken. Schlussendlich sollen alle Schülerinnen und Schüler die gleichen intakten Chancen haben. Ganz unabhängig davon – woher sie kommen, wie sie aussehen, welcher Religion sie angehören – oder welche Geschlechtsidentität sie haben.

Auch im 2022 ist immer noch in Berichten zu lesen, dass Homophobie an Schweizer Schulen vorkommt und junge Jugendliche täglich teils subtile, teils offene Ausgrenzung, Beschimpfungen und auch Gewalt erleben. Dieser Umstand beeinflusst die schulischen Leistungen der Betroffenen und führt zu psychosozialen Problemen.

Erst im Januar dieses Jahres hat eine grossangelegte Studie der Pädagogischen Hochschule Freiburg mit über 2200 teilnehmenden Jugendlichen aus der Deutschschweiz ernüchternde Ergebnisse geliefert und angemerkt, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Es fehle an Verständnis für die Werte einer toleranten, gleichwertigen Gesellschaft.

Weil es ein klares Bekenntnis zur gesellschaftlichen Vielfalt braucht, empfehle ich die Petition ein weiteres Mal zur Stellungnahme an die Regierung zu überweisen.

Sandra Bothe-Wenk
Grossrätin Grünliberale Basel-Stadt
Wahlkreis Riehen

Bericht der Petitionskommission:
https://www.grosserrat.bs.ch/dokumente/100402/000000402694.pdf

Studie Pädagogische Hochschule Freiburg: https://phfr.bsz-bw.de/frontdoor/deliver/index/docId/951/file/Diss_Patrick_Weber_2022.pdf

Medienberichte:
https://www.tagesanzeiger.ch/schwuchtel-schwule-sau-in-schulen-sind-demuetigungen-alltag-472483348677

Bildquelle:
https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/berlin-zunehmend-diskriminierung-an-schulen-erfasst-a-1278931.html