Notiz zur Förderklassen-Initiative
von Sandra Bothe und Christine Staehelin


Konsultationsbeantwortung betreffend des Regierungsvorschlags zur Förderklassen-Initiative

Darüber schreibt Maria-Elisa Schrade in ihrem Artikel in der BZ vom 12. Juli 2023: Umfrage zur Integrativen Schule in Basel: Lehrpersonen gehen die Reformpläne nicht weit genug. Online nachzulesen:

https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/foerderklassen-initiative-umfrage-zur-integrativen-schule-in-basel-lehrpersonen-gehen-die-reformplaene-nicht-weit-genug-ld.2486780

Darum geht es:
Der Regierungsrat hat die Einführung von Fördergruppen als auch von Förderklassen für Kinder und Jugendliche vorgeschlagen, die aufgrund ihrer kognitiven Fähigkeiten Schwierigkeiten haben, dem Unterricht zu folgen und die Lernziele zu erreichen.

In einer Konsultation haben die Lehrpersonen Stellung genommen. Von 1105 Befragten sind:
– 550 für die Einführung von Förderklassen
– 310 für die Einführung von Fördergruppen
– 245 für keine oder eine andere Lösung

Die Lehrpersonen haben ebenfalls Stellung bezogen, ob speziell verhaltensauffällige Kinder in den Förderklassen oder den Fördergruppen unterrichtet werden sollen.
Von den 1105 Befragten teilen 597 diese Meinung nicht, 508 stimmen zu.


Es gibt unterschiedliche Ansichten unter den Lehrpersonen bezüglich der beiden Unterrichtsformen und der Zielgruppe, die von diesen Angeboten profitieren soll. Die Mehrheit der Lehrpersonen spricht sich jedoch, wie auch wir, für die Einführung von Förderklassen aus, um Kinder und Jugendliche mit eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten optimal zu fördern. Es ist wichtig, dass schwächere Schülerinnen und Schüler eine angepasste Unterrichtsdidaktik erhalten, um gemäss ihren individuellen Fähigkeiten lernen zu können.

Erfahrungen mit Deutsch-Anfangsgruppen zeigen, dass die Organisation in Lerngruppen nicht zielführend ist. Die Schulkinder, die den Gruppenunterricht besuchen, fehlen während wichtiger Unterrichtsstunden in ihrer Stammklasse und sind während des Deutsch- oder Mathematikunterrichts in der Stammklasse anwesend, obwohl sie aufgrund ihrer mangelnden Deutschkenntnisse nicht am Unterricht teilnehmen können. Basierend auf den Stundenplänen, kann der Umstand nicht beeinflusst werden.

Exakt die gleichen Probleme würden auftreten, wenn Fördergruppen eingeführt würden, da sie klassenübergreifend stattfinden und keine Rücksicht auf die Fächer nehmen könnten, die in der Stammklasse unterrichtet werden. In Förderklassen hingegen würden die Kinder und Jugendlichen immer in einem für sie angepassten Unterrichtssetting von geschulten Heilpädagogen unterrichtet werden, um entsprechend ihren Fähigkeiten lernen zu können und ohne ständige Wechsel zwischen den Stammklassen und der Lerngruppe. Die Einführung von Fördergruppen würde zusätzlich zu den negativen Auswirkungen auch den administrativen und organisatorischen Aufwand für Klassenlehrpersonen erhöhen, was zu einer übermässigen beruflichen Belastung führt. Dies widerspricht dem Bestreben, diese zu minimieren.

Weiter sind wir, wie die Mehrheit der Lehrpersonen, der Auffassung, dass es nicht sinnvoll ist, verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche von der Stammklasse zu trennen und sie in Förderklassen zu unterrichten. Wir schliessen uns den 65 Prozent der Lehrpersonen an, die den Lösungsvorschlag des Erziehungsdepartement für Schüler und Schülerinnen mit Verhaltensauffälligkeiten unterstützen, nämlich ein Tagesschulangebot SpA Plus einzuführen. Das Angebot richtet sich an Kinder und Jugendliche, für die die bestehenden Spezialangebote nicht ausreichen und die teilweise nur noch im Einzelsetting unterrichtet werden können. Zusätzlich schlägt das Erziehungsdepartement vor, Lerninseln für Schüler und Schülerinnen zu schaffen, die den Unterricht stören und im grossen Klassenverband nicht gut lernen können.

Es bleibt jedoch für uns die Frage offen, warum 35 Prozent der Lehrpersonen an Förderklassen für verhaltensauffällige Schüler festhalten möchten. Die Auswertung der Hunderte von Kommentaren zur Konsultation sehen wir mit Spannung entgegen und erhoffen uns, dass die weitere Untersuchung mehr Aufschluss darüber gibt.

Wir sind der Meinung es ist von Bedeutung, die Ursachen für auffälliges Verhalten im schulischen Kontext zu untersuchen und die schulischen Faktoren zu identifizieren, die dazu beitragen. Die Volksschule muss sich eingehend mit der Frage auseinandersetzen, ob sie für eine immer geringere Anzahl von Kindern und Jugendlichen geeignet ist. 

Die Schulentwicklung der letzten Jahrzehnte beeinflusst das Lernen und Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen nicht nur positiv. Die steigende Anzahl verhaltensauffälliger Kinder korreliert mit den Reformen und den neuen Unterrichtsformen. Wir erachten es deshalb als zentral, dass die Schule sich intensiv damit auseinandersetzt. Zu viele ideologisch begründete und fachlich nicht fundierte Reformen haben unter Umständen Rahmenbedingungen geschaffen, die wesentliche Faktoren für erfolgreiches Lehren und Lernen vernachlässigt haben und für bestimmte Schüler und Schülerinnen zu auffälligem Verhalten führen.

Es ist unerlässlich, eine kritische Analyse dessen anzustreben, was schiefgelaufen ist, anstatt lediglich darüber nachzudenken, wie und in welchen Settings Schulkinder unterrichtet werden können, die offensichtlich nicht in das aktuelle System passen. Andernfalls betreiben wir nur Symptombekämpfung auf Kosten derjenigen, die immer weniger in das System passen. Denn wenn die Konsequenz eine Separation dieser Kinder und Jugendlichen ist, ist die Massnahme, unserer Meinung nach, ethisch höchst bedenklich.

Sandra Bothe-Wenk 
Grossrätin Grünliberale Basel-Stadt
Bildungs- und Kulturkommission

Christine Staehelin
Leiterin GLP-Fachgruppe Bildung und Familie